Gestern wohnte ich der Besprechung des Duisburger Bündnisses „Rechtes Märchenland verhindern“ im Cafe Zentral in Duisburg bei.
Es ging dort um die Planung der Gegendemo zu NPD und Pro NRW, die unter anderem vor der Moschee in Marxloh am Wochenende demonstrieren wollen.
Nach der Schilderung des Ablaufes regte der Veranstaltungsleiter eine Diskussion an: „Sollte berechtigte Kritik am Islamismus auch auf der Demo geäußert werden dürfen?“
Eine durchaus berechtigte Frage. Religiösen Extremismus zu kritisieren ist ja kein falscher Ansatz. Ich wandte ein, dass man das doch nun wirklich von der Gemeinde abhängig machen müsste. Sitzen in der Marxloher Moschee Hardliner oder Liberale? Das wäre die Frage – dachte ich – die es zu beantworten gilt. Ich wurde jedoch eines Besseren belehrt.
Ich habe gestern erstmalig verstanden, welchem Weltbild zumindest einige der dort anwesenden Antifaschisten folgen. Und es hat mich erschüttert.
Kernessenz ihrer gesellschaftlichen Vision ist die „Emanzipation des Individuums“, das meint die Verwirklichung der individuellen Freiheit. Alles, was dieser Verwirklichung im Wege steht – und das sind Herrschaftsstrukturen im Allgemeinen – gehört abgeschafft und beseitigt.
Und dazu zählte laut den Wortführern, die gleichsam meine Opponenten in der Diskussion waren, auch die Religion.
„Ich dachte, wir demonstrieren für Religionsfreiheit“ wandte ich ein. Entsetzen machte sich breit in den Gesichtern, die mir gegenüber saßen. Religion sei ein Korsett, in das man schon durch die Erziehung hineingesteckt würde, und das auch darüber hinaus Herrschaft, Zwang und Gewalt ausüben würde und deshalb beseitigt werden müsste.
Mein Einwand, dass das ja von der Auslegung der Religion abhinge und man sich ein moralisches Urteil über einen religiösen Menschen ja nur anhand seiner Taten bilden könnte, wurde nicht akzeptiert. Eine Differenzierung sei hier nicht angebracht, letztendlich verhindere ja jeder Religiöse die Emanzipation des Menschen, da Religionen beispielsweise grundsätzlich die Homosexualität ablehnen würden und somit homophob wären.
Auch mein Kommentar, dass man Homosexualität als Gläubiger ja durchaus ablehnen kann, wenn man nicht andere in der Ausübung ihrer Sexualität behindert, wurde nicht gelten gelassen. Der Leitsatz „Keine Toleranz gegenüber Intoleranz“ wurde mir mit auf den Weg gegeben.
Wenn alle verschiedenen Menschen auf dieser Welt nach dieser Maxime leben und handeln würden, so hätten wir allen Grund uns gegenseitig ständig den Schädel einzuschlagen. Der Kategorische Imperativ von Kant ist das diametrale Gegenteil dieser Geisteshaltung. Insofern glaube ich nicht, dass die, die am gestrigen Abend den Namen des Philosophen aus Königsberg in den Mund genommen haben, wirklich wissen, was es mit seinen Überlegungen auf sich hat.
Was dann der Grund sei, warum man dort überhaupt gegen NPD und Pro NRW demonstrieren wolle? Rassismus – den gelte es zu bekämpfen, da Rassismus auch ein Phänomen sei, das emanzipatorischen Fortschritt behindern würde.
An der Stelle frage ich mich ernsthaft, wenn dem ein oder anderen „Antifaschisten“ möglicherweise die emanzipatorische Hose näher als das Hemd ist, wieso läuft er dann nicht beim Demozug von Pro NRW mit? Nun gut, die Rechten lehnen Religion nicht in Gänze ab, aber zumindest die Abschaffung des Islam in Deutschland liegt ihnen mindestens genauso am Herzen. Eine Schnittmenge mit den Nazis ist also auf jeden Fall gegeben.
Nun möchte ich nicht – so wie es mir immer wieder zu Unrecht passiert – so gemein sein und nur aufgrund einer Schnittmenge mit einem Nazi jemanden als Faschist bezeichnen. Egal wie groß die Schnittmenge auch sein mag, sie macht noch keinen Faschisten. Sie rauchen die gleichen Zigaretten, trinken das gleiche Bier und essen am Bahnhof in Duisburg manchmal bei Burger King einen Cheeseburger: Sei’s drum.
Was an dieser Schnittmenge jedoch anders ist: Sie hat faschistischen Charakters durch und durch.
Jemand anderem verbieten zu wollen, seine Religion auszuleben, obwohl er damit niemanden schädigt, ist faschistisch. Ist dieser „Emanzipatorismus“ (wie ich ihn scherzhaft nenne) nicht letztendlich das Gleiche wie eine Religion? Diese Menschen sind von dem Glauben beseelt, dass ihre Weltanschauung die Menschen glücklicher macht. Frei nach dem Motto: An meinem Wesen soll die Welt genesen.
Doch was ist, wenn sie irren? Kann man diese Möglichkeit ausschließen? Eine andere Gruppe sagt, nach dem Koran zu leben ist die beste Lebensweise. Andere verweisen auf deutsche bürgerliche Traditionen und den Erhalt der Familie. Wer hat nun Recht?
Ob ich meine Weltanschauung nun von Marx, Mohammed oder Paulus ableite. Gut oder schlecht sind nicht die Bücher, die dahinter stecken, sondern das, was der Einzelne oder eine Gruppe dadurch bewirkt.
Religion zu verbieten hingegen, kommt einer Bücherverbrennung gleich, einer Gedankenpolizei wie es sie in George Orwells „1984“ gibt. Es ist ein Diktat, das man anderen überstülpen möchte, um sie angeblich zu befreien. Doch das ist absolut faschistisch.
Bilder aus dem antifaschistischen Comic „V For Vendetta“ kommen mir in den Sinn, wo ein Fernsehmoderator hingerichtet wird, weil er heimlich einen Koran besitzt.
Noch kürzlich sprach ich darüber, mit wem ich bereit wäre, Gespräche zu führen. Ich würde mich sicherlich mit Ethno-Pluralisten unterhalten, Hitlerianisten hingegen würde ich ob ihrer Menschenverachtung die kalte Schulter zeigen. Ich habe versucht, das runterzubrechen und bin zu dem Punkt gekommen:
Ich rede grundsätzlich mit jedem (was nicht heißt, dass ich auch seiner Meinung bin) aber nicht mit Faschisten.
Diese Aussage muss ich revidieren. Man muss mit Faschisten reden. Das ist der einzige Weg, ihnen die Vernunft und vor allem das viel zu selten benutzte Herz wieder nahe zu bringen.
Würde ich mich nämlich noch an diesen Grundsatz halten, so hätte ich gestern im Kreis meiner linken Genossen kaum den Mund aufmachen dürfen.
Zur Verteidigung des Bündnisses muss ich sagen, dass auch einige wirklich helle liberale Köpfe dabei gewesen sind, die nicht so darauf erpicht waren, ihre Weltanschauung anderen überstülpen zu wollen.
Und immerhin bin ich froh, dass auch die „Emanzipatoristen“ am Samstag und Sonntag in Duisburg auf der richtigen Seite stehen werden.
Posted by: wojna
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