Die Frage, die der Reporter der Westfalenpost ab 6:57 min auf der Pressekonferenz stellt ist berechtigt:
Wenn man ein Veranstaltungsgelände hat, dass 500.000 Besucher fasst, man aber 1,5 Mio. Besucher erwartet, wieso gestaltet man dann den einzigen Ein- und Ausgang durch eine Rampe, die inmitten eines 16 Meter breiten Tunnels liegt?
Noch bevor ich hier weiter schreibe, möchte ich mein Fazit vorwegnehmen:
Alle Verantwortlichen, die diesem Veranstaltungskonzept zugestimmt haben, gehören wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht gestellt und verurteilt.
Dazu zähle ich zuallererst den Veranstalter Rainer Schaller, danach Oberbürgermeister Adolf Sauerland und auch den stellvertretenden Polizeichef Detlev von Schmeling – sofern er für die Einsatzleitung verantwortlich zeichnet. Da auf der Pressekonferenz keine Aussagen zu Verantwortlichkeiten getätigt wurden, möchte ich diese Aussagen jedoch vorerst nur unter Vorbehalt treffen.
Als ich auf der Loveparade eintraf, um dort einen Videoclip zu drehen, hätten wir gerne feiernde Menschen als Hintergrundkulisse für unseren Dreh gehabt. Soweit kam es jedoch nicht, denn schon an der Ecke Grabenstraße/Kommandantenstraße stauten sich die Menschenmassen so stark, dass an ein Vorankommen nicht mehr zu denken war. Wir hielten also auf der Grabenstraße inne, in der Hoffnung, dass der Menschenfluss sich bald fortsetzen würde, wenn man den nächsten „Schwall“ auf das Gelände ließe.
Nach einer Zeit wurden wir jedoch von den nachströmenden Menschen förmlich eingepfercht, so dass wir uns den Weg zurück durch den Menschenstrom zur Kreuzung Grabenstraße/Koloniestraße bahnten und dort – nach ein paar Aufnahmen – ausharrten. Derweil wurde der Rückstau auf der Grabenstraße immer größer.
Von Zuflussregelung von Seiten der Polizei kann keine Rede gewesen sein. Kurz bevor der Rückstau auf der Grabenstraße bis zur Kreuzung reichte, fuhren drei oder vier Einsatzwagen vor, die die Grabenstraße blockierten.
Die Besucher jedoch umgingen die Wagen einfach und schlängelten sich an der Sparkasse vorbei in die Grabenstraße, da keinerlei Beamte die Leute zurückhielten. Unsinnigerweise jedoch bin ich zuvor – als ich versuchte, der Grabenstraße über die Akazienstraße zu entkommen – von einem Beamten zurückgewiesen worden.
Selbst vor der Polizeiwagenburg stauten sich nun die Leute, so dass wir uns entschlossen, uns endgültig zurückzuziehen. Meine letzten Worte zu Torben waren: „Heute werden Menschen sterben. Wenn einer von den Drogis in der Hitze umkippt, braucht der Krankenwagen Stunden, um da durch zu kommen.“
Da wusste ich noch gar nicht, dass es nicht nur die Route über den Osteingang des Hauptbahnhofs gab, sondern auch noch eine von der anderen Seite (!!!) Eine halbe Stunde später zuhause angekommen, erfuhr ich durch die Medien von der Massenpanik.
Von „Vereinzelungssperren“ – wie es von Schmeling in der Pressekonferenz schilderte – habe ich nichts gesehen, es sei denn, diese jämmerliche Wagenburg sollte eine solche darstellen. Auch die Bilder im Tunnel, die auf den diversen Nachrichtenportalen zu sehen sind, sprechen da ganz klar eine andere Sprache.
Meiner Meinung nach hat die Polizei zu keinem Zeitpunkt sich darum gekümmert, den Besucherstrom vor dem Tunnel zu stoppen. Sie haben ledigliche die Leute davon abgehalten in die Seitenstraßen auszuweichen.
Vielleicht wollte sich Herr Sauerland die Kosten für die „Cityfanten“ sparen, die die ganzen Nebenstraßen hätten säubern müssen und den Stadthaushalt damit belastet hätten. Ich weiß es nicht.
Ich bin davon überzeugt, dass Herr von Schmeling in der Sache mit der Zuflussreglung lügt. Ich frage mich immer wieder, was in den Hundehirnen unserer Verantwortungsträger vor sich geht. Jedes Kleinkind, das mit Google Earth umgehen kann, hätte folgende Szenarien erstellen können:
1. Man hätte den Zufluss vom Osteingang über die östliche Rampe regeln können. Der Abfluss vom Gelände wäre über die westliche Rampe zurück zum Westeingang möglich gewesen. So wäre eine Ausweichmöglichkeit nach Westen Richtung Hochfeld gegeben gewesen:
2. Man hätte die übertunnelte Karl-Lehr-Straße mit Trennzäunen „splitten“ können. Die Südseite der Straße hätte man den abreisenden Gästen überlassen, die Nordseite der Straße am Gelände den Zuströmenden. Bei einer Panik hätte man die Zäune umgeworfen und der verfügbare Platz hätte sich verdoppelt:
3. Man hätte den Zugang zum Gelände vom Westeingang des Hauptbahnhofs über den Kreisverkehr auf die A59 lenken können, die sowieso gesperrt war. Man hätte 10m Leitplanken entfernt und wollte man das Gelände wegen Überfüllung absperren, hätte die Masse noch Platz bis Großenbaum gehabt:
Aber stattdessen schleusen wir die erwarteten 1,5 Mio. Menschen von beiden Seiten eines Tunnels durch ein Nadelöhr aufs Gelände. So bescheuert muss man erstmal sein!
Und wenn das Gelände voll ist. Was dann? Dann sollen alle von alleine wieder umdrehen oder wie?
Die Einsatzleitung der Polizei hat meiner Meinung nach vollständig versagt. Ich weiß nicht, ob an den Gerüchten der Androhung des Schusswaffengebrauchs etwas dran ist. Auch habe ich die Duisburger Polizei immer als hilfsbereit und zuvorkommend erlebt. Aber wenn das stimmt, was dieser Verletzte berichtet, so schienen die Beamten mit der Situation hoffnungslos überfordert zu sein:
Eine adequate Reaktion der Polizei auf den Stau vor dem Tunnel gab es offensichtlich nicht. Zuflussreglung hat hier ganz offensichtlich nicht stattgefunden.
Ich bleibe dabei: Der Rücktritt von Adolf Sauerland ist überfällig. Der Polizeichef sowie der Einsatzleiter sind in Verantwortung zu nehmen, ebenso der Veranstalter.
Es ist nicht so, dass Duisburg räumlich nicht in der Lage gewesen wäre, die Loveparade zu schultern. Es gibt für mich nur zwei Erklärungen, wie es zu diesen schlimmen Vorfällen hat kommen können:
1. Man hat versucht zu sparen, um die Kosten für die Verschmutzung der Stadt sowie Kosten für Einsatzkräfte gering zu halten.
2. Grenzenlose Dummheit und Verantwortungslosigkeit der Organisatoren.
Für mich ist es klar: Was am 24. Juli 2010 in Duisburg passiert ist, erfüllt den Tatbestand der fahrlässigen Tötung.
Meine Gedanken sind bei den Angehörigen und Freunden der Opfer, die nun unglaublich schmerzliche Verluste hinnehmen müssen. Ich wünsche ihnen eine schnelle und gerechte Aufklärung der Vorfälle, auf dass sie danach die Kraft finden, zu trauern und über ihren Verlust hinwegzukommen.